Flora und Vegetation des Taunus
Von Wolfgang Ehmke, Taunusstein
Zahlreiche Faktoren prägen die Pflanzenwelt einer Landschaft: Die abiotischen Faktoren wie Geologie und Böden, Klima und Gewässer sowie die Landschaftsgeschichte seit der Eiszeit. Der wichtigste Faktor ist allerdings der Faktor Mensch, der durch seine Landschaftsnutzung das Pflanzenkleid mehr oder weniger stark gegenüber der natürlichen Vegetation verändert. Selbst die sehr naturnah wirkenden Buchenwälder des Taunus sind ein Ergebnis langer Forstwirtschaft. Wir haben es also im Taunus mit einer Kulturlandschaft zu tun – abgesehen von Felsen, einigen Waldmooren sowie Schluchtwäldern, die aber zusammen weniger als zwei Prozent der Fläche ausmachen.
Das Projekt „Flora des Südtaunus“
Lange Zeit gab es nur eine Handvoll Botaniker, die die Flora des Taunus erforschten. Erst durch die Hessische Biotopkartierung 1992 – 2006 und dann vor allem durch die Floristische Kartierung durch eine ehrenamtliche Arbeitsgemeinschaft von Botanikern („Taunus-AG“), die den südlichen Teil des Taunus kartierte, wurde der Pflanzenbestand erstmals flächendeckend inventarisiert. Auf Initiative von Dr. Wolfgang Ehmke aus Taunusstein erfassten bis zu 15 Botaniker/innen aus der Region seit 1997 die Pflanzenvielfalt (EHMKE 2001). Nachdem die umfängliche Datenverarbeitung ehrenamtlich nicht mehr zu bewältigen war, hat seit 2001 die Goethe-Universität Frankfurt/M. (Abteilung Ökologie und Geobotanik) diese Aufgabe übernommen. Die Geländekartierung wurde jedoch weiterhin von engagierten, ehrenamtlich tätigen Botaniker/innen getragen.
Eine Reihe von Zwischenergebnissen ist bereits publiziert (u.a. WITTIG, EHMKE et al. 2005; UEBELER, EHMKE et al. 2008); das endgültige Florenwerk des Südtaunus soll 2018 als Sonderband der Botanischen Vereinigung für Naturschutz in Hessen erscheinen. Für die Geländeerhebung wurde der Südtaunus in Raster von 1/64 eines jeden Kartenblattes der Topograf. Karte 1:25000 unterteilt. Im Untersuchungsgebiet ergaben sich somit 470 Rasterfelder. Die Rasterflächen von je ca. zwei Quadratkilometern wurden mehrfach begangen und alle gefundenen Pflanzensippen aufgelistet. So erhielt man für alle 1.700 nachgewiesenen Arten eine aktuelle Verbreitungskarte und ein Artportrait.
Das Projekt verfolgt mehrere Ziele. So sollen nicht nur die Grundlagen für Maßnahmen des Natur- und Artenschutzes verbessert werden, sondern auch den Landschaftsnutzern konkrete Hinweise zur Vermeidung von Konflikten mit dem Naturschutz gegeben werden. Das Florenwerk bietet auch die Basis für spätere Beurteilungen von Nutzungsänderungen und des drängenden Problems des Klimawandels. Es soll dazu beitragen, ein Bewusstsein in der Öffentlichkeit für die Erhaltung der Artenvielfalt zu schaffen.
Das Besondere an der Flora des Taunus
Naturräumlich gliedert sich der Taunus in die Einheiten Vortaunus (südostwärts vorgelagert), Hoher Taunus (der Höhenzug von Rüdesheim/Rhein bis Bad Nauheim) und Hintertaunus (nordwestlich des Höhenzuges bis zum Lahntal (siehe Karte). Der Hohe Taunus ist eine Waldlandschaft mit ca. 84 Prozent Waldanteil; auch der Hintertaunus weist noch 54 Prozent Waldfläche auf. Dagegen ist der Vortaunus waldärmer (< 50 Prozent; Angaben nach ZIMMERMANN (1985). Die Höhenstufen reichen von kollin (ab ca. 200 m ü. NHN) über submontan (ab ca. 550 m) bis in die montane Stufe (ab ca. 800 m), die aber nur im Feldbergmassiv erreicht wird. Als relativ niedriges Mittelgebirge ist deshalb der Anteil an montanen Pflanzenarten gering. Aufgrund der überwiegend sauren und nährstoffarmen Böden (s. Kapitel Böden) war im Südtaunus keine hohe Artenzahl pro Flächeneinheit zu erwarten. Dennoch ergab sich bei der Kartierung der Taunus-AG eine Gesamtzahl von ca. 1.700 Taxa, von denen allerdings manche nur wenige Fundorte aufwiesen und mehrere nichtheimische Pflanzen (Neophyten) als unbeständig anzusehen sind.
Zu erwähnen ist, dass am Nord- und Ostrand des Östlichen Hintertaunus auf Riffkalken und Schalstein basophile Böden auftreten, die höhere Artenzahlen erwarten lassen. – Ohne an dieser Stelle auf alle floristischen Aspekte eingehen zu können, sollte doch zumindest eine Besonderheit herausgestellt werden. Wie im Kapitel „Klima“ erwähnt, zeichnet den Taunus eine ozeanische bzw. atlantische Klimatönung aus. Diese drückt sich auch im gehäuften Vorkommen atlantischer Florenelemente aus. Beispiele von strengen „Atlantikern“ im Sinne von ELLENBERG et al. (1992) sind etwa die Dünnährige Segge, das Gestreifte Leinkraut, das Hasenglöckchen, der Prächtige Dünnfarn und die Ginster-Sommerwurz. Daneben wachsen im Taunus zahlreiche Pflanzenarten mit Schwerpunktvorkommen in Westeuropa, die nur wenige Wuchsorte im westlichen Deutschland haben. Einige typische Beispiele: Salbei-Gamander, Wald-Hainsimse, Forsters Hainsimse, Gegenständiges Milzkraut, Berg-Ehrenpreis, Schwarze Flockenblume, Kleines Helmkraut, Quendelblättriges Kreuzblümchen, Stinkende Nieswurz, Pyramiden-Günsel, Mittleres Barbarakraut, Hain-Fuchssegge, Mauer-Hungerblümchen, Sparrige Binse, Klimmendes Geissblatt, Hirschzungenfarn u.a.
Kurzer Abriss der Pflanzengesellschaften
Pflanzen mit gleichen oder ähnlichen Standortansprüchen bilden Pflanzengesellschaften (WILLMANNS 1992; POTT 1992). In den Taunuswäldern ist die vorherrschende natürliche Waldgesellschaft der bodensaure Hainsimsen-Buchenwald. Daneben kommen auf nährstoffreicheren Standorten der Waldmeister-Buchenwald, auf Bunten Schiefern auch der Sternmieren-Hainbuchenwald vor. Besonders saure, steinige Südhänge besiedelt der Birken-Traubeneichenwald. In engen, schattigen Kerbtälern findet sich der Sommerlinden-Bergahorn-Schluchtwald – oft mit seltenen Farnen und Frühjahrsblühern. Bachufer, Quellsümpfe und andere Feuchtstellen sind Standorte verschiedener Feuchtwälder mit Esche und Schwarzerle. – Das offene Grünland besteht zum größten Teil aus frischen Berg-Glatthaferwiesen. Ihr trockener Flügel wird durch gehäuftes Auftreten der Frühlings-Schlüsselblume, des Berg-Klees, der Knolligen Spierstaude, des Wiesen-Salbeis und anderen Trockenheitszeigern gekennzeichnet.
Der feuchte Flügel (u.a. mit dem Wiesen-Silau und der Silge) leitet über zu den submontanen Goldhaferwiesen mit Schlangenknöterich. Wenn diese Flächen brachfallen, breiten sich dort Mädesüss-Hochstaudenfluren bis hin zu Grossseggensümpfen aus. – An besonnten Schieferfelsen bilden sich verschiedene, oft nur kleinflächige Felsgesellschaften aus, oft mit Haarginster, dem Nordischen Streifenfarn und der Felsenbirne. Die Schutthalden unter den Felsen besiedeln Gesellschaften mit dem Schmalblättrigen und dem Saat-Hohlzahn.
An mageren Wegböschungen findet sich die für den Taunus typische Annuellenflur (Thero-Airion) mit mehreren einjährigen Arten wie Nelken-Schmielenhafer, Mauer-Hungerblümchen, Berg-Sandglöckchen, Färber-Hundskamille usw. – Die Taunusäcker werden grösstenteils konventionell bewirtschaftet und lassen demzufolge Wildpflanzen höchstens an einigen Ackerrändern existieren. Es gibt aber noch wenige extensiv genutzte Äcker, auf denen man im Getreide die Ackerfrauenmantel-Kamillen-Gesellschaft und in Hackfruchtbeständen die Erdrauch-Wolfsmilch-Gesellschaft finden kann. Einige typische Wildkräuter wie Acker-Löwenmaul, Acker-Spörgel, Gefurchter Feldsalat und Saat-Wucherblume können in einem Feldflora-Reservat in Schlangenbad-Hausen v.d.H. besichtigt werden (EHMKE 2003). Aus Platzgründen konnten hier nur wichtigsten Gesellschaften knapp aufgelistet werden.
Literatur
EHMKE, W. (2001): Stand der floristischen Erfassung des Taunus.– Schr. R. Umweltamt Darmstadt XVI/4: 16-23.
EHMKE, W. (2003): Das Feldflora-Reservat in Schlangenbad-Hausen v.d.H.– Jb. Rheingau-Taunus-Kreis 2004: 133-136, Bad Schwalbach.
ELLENBERG, H. et al. (1992): Zeigerwerte von Pflanzen in Mitteleuropa.– Scripta Geobotanica XVIII. – 2. Aufl.; Verlag E. Goltze, Göttingen.
POTT, R. (1992): Die Pflanzengesellschaften Deutschlands.– Ulmer-Verlag, Stuttgart.
UEBELER, M.,W. EHMKE et al. (2008): Ergebnisse der Floristischen Kartierung des Hohen Taunus.– Geobot. Kolloq. 21: 23-42.
WILMANNS, O. (1992): Ökologische Pflanzensoziologie.– Quelle & Meyer, Heidelberg.
WITTIG, R., W. EHMKE et al. (2005): Stand der Kartierung der Gefässpflanzenflora des Taunus.– Geobot. Kolloq. 18: 3-8.
ZIMMERMANN, H. (1985): Die Waldstandorte in Hessen und ihre Bestockung.– Mitt. Hess. Landesforstverwaltung 20; 229 S. – Verlag J.D. Sauerländer, Frankfurt/M.