Von Wolfgang Ehmke, Taunusstein

Hildegard von Bingen
Hildegard von Bingen (1098–1179). ©Gemeinfrei

Die ersten schriftlichen Zeugnisse über die Pflanzenwelt des Taunus haben wir von Hildegard von Bingen (1098–1179), die 1165 das Kloster Eibingen bei Rüdesheim am Rhein gründete und von dort aus das Rheingaugebirge, den westlichen Teil des Taunus, erkundete. In mehreren Werken beschrieb sie vor allem die Heilwirkungen von 485 einheimischen und fremdländischen Pflanzen und kann somit als erste bekannte Botanikerin unserer Region gelten.  Die nächsten Meldungen über die Taunusflora stammen aus dem 16. Jahrhundert, dem „Jahrhundert der deutschen Väter der Pflanzenkunde“. Dazu zählten insbesondere Hieronymus Bock (lateinisch Tragus, 1498–1554) und Leonhart Fuchs (1501–1566), die allerdings nicht im Taunus botanisierten. Aber ein Schüler Bocks, der Arzt Jakob Theodor (1522–1590) aus Bergzabern (der sich latinisiert Tabernaemontanus nannte), praktizierte zeitweise in Bad Schwalbach (damals Langenschwalbach), entdeckte dort die Heilquellen und beschrieb die heimische Pflanzenwelt in einem Kräuterbuch. Er hat bei seltenen Arten teilweise auch Fundortangaben gemacht, was sein Buch zumindest ansatzweise als Regionalflora für den westlichen Taunus gelten lässt. Ein Originalexemplar des ersten Teils seines Kräuterbuches, das er 1588 nach mehr als 10jähriger Vorbereitung veröffentlichte, befindet sich im Stadtmuseum Bad Schwalbach.

Tabernaemontanus
Der Arzt Jakob Theodor Tabernaemontanus (1522–1590). ©Gemeinfrei

Auch in der Folgezeit waren es vorwiegend Ärzte und Apotheker, die die floristische Erforschung voranbrachten. Johann Philipp Huth (1664–1727), Stadtarzt in Friedberg, gilt als Erster, der neben der Wetterau das Innere und den Osthang des Taunus botanisch erschlossen hat. Sein Herbar (im Frankfurter Senckenberg-Museum) enthält rund 110 Belege mit Angaben aus dem Taunus. Der Frankfurter Arzt Johann Christian Senckenberg (1707–1772) hat schriftliche Aufzeichnungen von seinen Exkursionen gemacht, die ihn u.a. auch in den Taunus führten (Schlangenbad, Langenschwalbach, Feldbergmassiv). Weitere Angaben finden sich in der „Flora moeno-francofurtana“ von 1772/1778 (Johann Jakob Reichard), in der Flora der Wetterau (1799–1802) von Gärtner, Meyer und Scherbius und im „Taschenbuch zum Gebrauch auf botanischen Exkursionen in der Umgebung von Frankfurt a. M.“ von Georg Fresenius (1832/1833). Umfassende Beschreibungen der Veröffentlichungen dieser zuletzt genannten Botaniker hat L. Spilger in mehreren Arbeiten von 1927 bis 1941 erstellt.

Auch im Herzogtum Nassau, das bis 1866 existierte, gab es botanische Aktivitäten. Zu nennen sind hier vor allem F. Rudio mit seiner Übersicht der Phanerogamen und Gefäßkryptogamen von Nassau (1851) sowie der Oestricher Apotheker L. Fuckel, der 1856 seine Flora von Nassau veröffentlichte. Ein Pionier der floristischen Kartierung war der Professor für Botanik an der Gießener Universität Hermann Hoffmann mit den „Nachträgen zur Flora des Mittelrhein-Gebietes“ (1879/1889). Der Titel ist leicht irreführend, denn er durchwanderte auch den Taunus in voller Länge von Gießen über den Feldberg bis Lorch am Rhein. Ihm verdanken wir erstmalige Rasterkarten-Darstellungen und die Erfassung kritischer Sippen.

Senckenberg
Der Frankfurter Arzt Johann Christian Senckenberg (1707–1772). ©Gemeinfrei

Im 19. Jahrhundert wurde auch im heute rheinland-pfälzischen Teil des Taunus botanisiert. Zu nennen ist hier vor allem Philipp Wirtgen (1806–1870), der von Koblenz aus umfangreiche Exkursionen in das Rheinische Schiefergebirge machte und öfter bis in den Rheingau kam. Er gab 1842 den „Prodromus der Flora der Rheinlande“ heraus, dem mehrere Nachträge folgten. Teile seines Herbars befinden sich im Wiesbadener Landesmuseum. P. Caspari veröffentlichte 1874 das Florenwerk „Die Phanerogamen der Umgebung von Oberlahnstein“, worin auch Fundorte im nordwestlichen Taunus aufgeführt sind. In seiner dritten, von M. Bach gänzlich neubearbeiteten Auflage wurde dieses Werk 1899 unter dem Titel „Flora der Rheinprovinz und der angrenzenden Länder. Die Gefässpflanzen“ fortgeführt.

Im 20. Jahrhundert nahmen die botanischen Aktivitäten deutlich zu. Als erstes erschien 1900 die Flora von Mainz und Umgebung von W. von Reichenau, die auch Teile des Taunus bei Wiesbaden umfasst. Das umfangreiche Herbar des Biebricher Apothekers A. Vigener befindet sich im Wiesbadener Landesmuseum. Er brachte 1906 eine „Flora des Taunus“ heraus. Weitere Veröffentlichungen stammen von E. Pfeiffer (1921), L. Petry (1929), W. Ludwig (1948/2010), F. Neubaur (1952/1969) und W. Lötschert (1959/1963). Ein unverzichtbares Fundortverzeichnis für den westlichen Taunus ist die „Flora vom Rheingau“ (1976) von Horst Grossmann, die nach seinem Tod von H.J. Conert fertiggestellt wurde. In ihr sind auch das Rheingaugebirge, der Wiesbadener Hochtaunus und ein Teil des Westlichen Hintertaunus enthalten.

In jüngster Zeit gab es vermehrt floristische Veröffentlichungen zum Taunus, vor allem in den Hessischen Floristischen Briefen, in der Zeitschrift „Botanik und Naturschutz in Hessen“ sowie in den Jahrbüchern des Nassauischen Vereins für Naturkunde. Besonders zu nennen sind Dieter Korneck, der mehrfach den Taunus erkundete und zahlreiche Notizen veröffentlichte, sowie Heinz Kalheber aus Runkel, ein ausgewiesener Fachmann insbesondere für die Frauenmantel- und Augentrostarten. Zur Zeit läuft seit 1997 die floristische Kartierung des südlichen Taunus durch die Botanische Arbeitsgemeinschaft Taunus, die von Wolfgang Ehmke gegründet und von Rüdiger Wittig (em. Professor an der Universität Frankfurt a. M.) fortgeführt wird. Dazu sind bereits einige Teilveröffentlichungen erschienen; das gesamte Florenwerk soll 2018 oder 2019 herauskommen.