Ruine mit Glasdach
Die Ruine des Jagdschlosses Platte mit dem Glasdach. ©Alexander Stahr

Von der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden aus führen drei Pässe über den Taunuskamm in den Hintertaunus: Eiserne Hand, Hohe Wurzel und Platte. Nach zuletzt genanntem Pass ist das Jagdschloss zwischen Wiesbaden und der Stadt Taunusstein benannt. Das Jagdschloss befindet sich unmittelbar an der nördlichen Stadtgrenze von Wiesbaden auf einer Hochfläche in einer Höhe von 498 Metern über NHN. Über die Platte führt die Bundesstraße 417, auch Hühnerstraße genannt.

Das Jagdschloss Platte wurde von 1823 bis 1826 durch Herzog Wilhelm Georg August Heinrich Belgicus zu Nassau (1792-1839) errichtet und war Wohnsitz der herzoglichen Familie von Nassau während der Jagdsaison. Zar Alexander II., Zarin Maria Alexandrowna und Kaiserin Eugenie waren u. a. Gäste im Jagdschloss. War der Hausherr abwesend, konnten Bürger und Wiesbadener Kurgäste das Schloss für Besichtigungen und Veranstaltungen nutzen.

Fest auf der Platte 1852
Ein Fest auf der Platte im Jahr 1852. Der Herzog hatte die 29. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte geladen. ©Gemeinfrei

Anfang Februar 1945 wurde das Schloss während eines Luftangriffes durch die britische Luftwaffe bis auf die Außenmauern zerstört. Die Wehrmacht hatte beim strategisch sehr günstig gelegenen Jagdschloss eine Flugabwehrleitstelle eingerichtet, was dem Gebäude zum Verhängnis wurde. 1987 hatte sich eine Initiative zum Ziel gesetzt, das Jagdschloss wieder zu nutzen. Heute „Stiftung Jagdschloss Platte e.V.“ Seit 1993 konnte das Schloss wieder für Hochzeiten und andere Veranstaltungen genutzt werden. Der Ruinencharakter sollte bei der neuen Nutzung erhalten bleiben. Das Gebäude erhielt 2003 ein aus vier Quadraten zusammengesetztes Glasdach.

Hirsch vor dem Jagdschloss
Einer der beiden ehemals aus Bronze bestandenen, nachgegossenen Hirsche vor dem Jagdschloss. ©Alexander Stahr

Vom Parkplatz des Jagdschlosses aus führen mehrere Wanderwege durch die reizvolle Landschaft des Taunuskamms. Im unmittelbar neben dem Jagdschloss gelegenen Gasthof Jagdschloss Platte lässt es sich gut einkehren. Zudem gibt es eine Kleingolfanlage (Minigolf), eine Grillhütte und den Abenteuerspielplatz des Naturparks Rhein-Taunus. Kinder können hier herumtollen und auf Entdeckung gehen. Im Winter beginnen am Parkplatz die Loipen des Naturparks Rhein-Taunus.

Die Platte im Pulverdampf – Ein fast vergessenes Ereignis

Eine Schlossruine mit gläsernem Dach, ein Gasthof mit stilvoll-rustikalem Ambiente, eine Minigolfanlage, Grillhütte, ein Kinderspielplatz, Spaziergänger. Die hergerichtete Ruine erinnert an den Luftangriff 1945. Doch nichts erinnert an das blutige Gefecht auf der Platte zwischen Franzosen und Truppen der 1. Koalition am 9. September 1796.

Um 1910
Das Jagdschloss Platte um etwa 1910. ©Gemeinfrei

Der erste Versuch des europäischen Absolutismus die Auswirkungen der Französischen Revolution einzudämmen, begann am 20. April 1792 mit der Kriegserklärung der 1. Koalition aus Preußen und Österreich an Frankreich. Großbritannien, Spanien, Piemont-Sardinien, Neapel, die Niederlande sowie Herzog- und Fürstentümer des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation schlossen sich der Koalition an. Für 20 Jahre herrschte von nun an Krieg im Taunus und seinem südlichen Vorland. Vor allem das Königreich Preußen und die k. k. Monarchie Österreich stellten sich während der Kämpfe um die Festung Mainz den französischen Truppen im Taunus entgegen. Wiederholt kam es zu Gefechten an strategisch wichtigen Taunusübergängen.

Nachdem die 30.000 Mann starke französische Sambre-Maas-Armee des Divisionsgenerals Jean-Baptist Jourdan am dritten September 1796 im Kürnachtal vor Würzburg durch die 1. Koalition unter Erzherzog Karl von Österreich geschlagen worden war, erhielt Oberst Graf Maximilian von Merveldt die Aufgabe, unter Feldmarschall-Leutnant Freiherr Franz von Petrasch die geschlagene Sambre-Maas-Armee mit Truppen der Koalition an den Niederrhein zu hetzen, sie zu jagen.

Lage des Jagdschlosses Platte. ©Gemeinfrei, OpenTopoMap.org

Am 9. September 1796 stießen die Koalitionstruppen auf der Platte nach der erzwungenen Aufhebung der Belagerung von Mainz auf eine 1.500 Mann starke Nachhut der Sambre-Maas-Armee aus Infanterie und Artillerie, die vier Kanonen ihr Eigen nannte.

Es kam zu einem Gefecht, das als recht einseitig zu bezeichnen ist, andererseits schon „Schlacht“ genannt werden könnte, betrachtet man die Truppenstärken. 12.000 Mann zählten die Koalitionstruppen beim Zusammenstoß auf der Platte. Darunter österreichische, kurmainzische, kölnische und Hessen-Darmstadt Infanterieregimenter, fränkische Grenadiere, Hessen-Darmstadt Scharfschützen sowie Wurmser Freikorps Infanterie und Husaren. 40 Kanonen und Haubitzen führten die Koalitionäre zudem ins Gefecht.

Die französischen Verluste beliefen sich auf 60 Gefallene. Über Verwundete oder Vermisste ist nichts bekannt. Ebenso wenig weiß man über die Verluste der Koalitionstruppen, geht aber von einer sehr geringen Zahl aus. Die flüchtenden Revolutionstruppen wurden über Wehen verfolgt. Zum erneuten Zusammenstoß kam es am 16. September bei Limburg.

Quelle: Digby Smith (1998): The Greenhill Napoleonic Wars Data Book, Actions and Losses in Personnel, Colours, Standards and Artillery 1792-1815; London.

Anreise mit dem ÖPNV: Bushaltestelle „Wiesbaden Platte“ Buslinien 270, 271, 273 und X72, 300 m Fußweg
Geodaten: 50.1343200, 8.2204165