Von Alexander Stahr, Taunusstein

Weinbergterrassen
Weinbergterrassen bei Assmannshausen. ©Alexander Stahr

Der Weinanbau hat im Taunus in der Region Rheingau eine 1.200 Jahre alte Tradition, reicht aber zurück bis in die Zeit der römischen Besatzung. Es ist zu vermuten, dass die Germanen Techniken des Weinanbaus von den Römern übernahmen. Darauf lassen Wörter wie Winzer vom lateinischen „vinator“ und Most vom lateinischen „mostum“ schließen. Während der Völkerwanderung ging der Weinanbau wahrscheinlich zurück, kam aber nicht zum Erliegen.

Vom Jahr 900 bis 1300 kam es zur Zunahme der Weinanbaugebiete in Mitteleuropa, was auch für den Rheingau zutraf. Etwa ein Dutzend Klöster ließen sich im Rheingau sozusagen als Pioniere des Weinanbaus nieder. Gefördert wurde dies durch die Politik der Erzbischöfe. Das Kloster Johannisber g (ab 1106 durch Benediktiner, heute Schloss Johannisberg) und Kloster Eberbach (ab 1136 durch Zisterzienser) sind Beispiele dafür.

Weinanbau
Weinanbau oberhalb Lorch am Rhein. ©Alexander Stahr

Die Weine aus dem Rheingau hatten bereits für mittelalterliche Verhältnisse eine hohe Qualität. Der Riesling findet erstmals im Jahr 1435 Erwähnung. Mit dem Anbau dieser Rebsorte wurde der Rheingau zum qualitativ führenden Weinanbaugebiet in Deutschland. Auch an den Südhängen des Taunus war der Weinanbau vor Jahrhunderten noch heimisch. Hinweise darauf geben Straßen- oder Flurnamen.

Trockenmauer
Zur Arbeitserleichterung und Erosionsminderung werden Steillagen mit Trockenmauern terrassiert, ein Paradies für Mauereidechsen. ©Alexander Stahr

Durch den Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) gingen die Rebflächen im Rheingau zurück, denn es gab einen großen Mangel an Arbeitskräften. Zudem konnte sich die Bevölkerung keinen Wein mehr leisten. Zu allem Überdruss kam, dass der Rhein als Wasserstraße wegen hoher Zölle immer mehr gemieden wurde. Im 18. Jahrhundert erfuhr der Weinbau im Rheingau jedoch einen neuen Aufschwung. Es waren wieder die Klöster, die ihr Wissen aus den Studien römischer Schriften an die Winzer weitergaben. Unter Napoléon Bonaparte (1769-1821) und nach der französischen Revolution wurde der Besitz der Kirche in Mitteleuropa säkularisiert. Der Einfluss der Klöster auf den Weinbau in Deutschland und im Rheingau war somit endgültig beendet. Ende des 19. Jahrhunderts wurden für die Beratung der Winzer und die Ausbildung des Nachwuchses staatliche Weinbauschulen gegründet. Weithin bekannt und von Weltruf ist die 1872 gegründete Königlich Preußische Lehranstalt für Obst- und Weinbau in Geisenheim, heute (ab 2013) Hochschule Geisenheim University.

Weinlese
Weinlese bei den Hessischen Staatsweingütern Kloster Eberbach. ©Alexander Stahr

Mit dem Anbau von Wein im Mittelrheintal kam es zu umfangreichen Rodungen und Terrassierungen der steilen Hänge im Mittelrheintal. Bodenerosion und Hangbewegungen musste und muss man auch heute stets entgegenwirken. Durch die Bearbeitung des Bodens im Weinberg entstand ein neuer Bodentyp: Der Rigosol. Der Name kommt von Tiefpflügen, was als Rigolen (von französisch rigole = Rinne) oder früher als Rajolen oder Rejolen bezeichnet wurde. Es handelt sich dabei um einen „künstlichen“ Boden der Weinberge, der durch tief greifendes Umschichten von Bodenmaterial (Rigolen) entsteht.

Weinlese
Die Weinlese ohne Maschineneinsatz ist sehr arbeitsintensiv. ©Alexander Stahr

Ein Stichwort hinsichtlich des Weinanbaus in Regionen wie dem Rheingau ist heute sicherlich Terroir. Der Begriff Terroir stammt unverkennbar aus dem Französischen und geht auf das lateinische Wort „terra“ (die Erde) zurück. Unter Terroir versteht man die Synthese aus Topographie (Relief, Exposition, Meereshöhe), Klima, Gestein, Boden, weinbaulichen Maßnahmen (Bodenpflege, Anschnitt, Bewässerung, Düngung, Qualitätsstrategie), kellerwirtschaftlichen Maßnahmen (Ausbauweise) und regionalem Einfluss (Kultur, Geschichte). Unter Terroir werden also alle Einflussfaktoren zusammengefasst, die einen Weinberg charakterisieren und Einfluss auf die Qualität und den Geschmack des Weines haben. All diese Faktoren verleihen einer Lage ihr individuelles Terroir, was auch für die Vermarktung eines Weines – auch im Rheingau – mehr an Bedeutung gewinnt.

Terroir = Natürliche Gegebenheiten + Weinbauliche Maßnahmen + Kellerwirtschaftliche Maßnahmen + Regionaler Einfluss

Weinerntemaschine
Mit der Weinerntemaschine geht es leichter. ©Alexander Stahr
Weinkeller
Im Weinkeller der Hessischen Staatsweingüter Kloster Eberbach (Steinberg) ©Alexander Stahr

Topographie, Klima, Gestein und das Wirken des Menschen (Bodenpflege, Düngung, Bewässerung) sind Standortfaktoren der Bodenentwicklung, sodass dem Boden hinsichtlich des Terroirs eine außerordentlich bedeutsame Rolle zukommt. Die Eigenschaften eines Bodens bestimmen neben dem Wachstum der Reben auch die mineralische Zusammensetzung des Saftes der Trauben und somit letztendlich den Geschmack des Weines. Pflanzenphysiologisch wichtige Eigenschaften des Bodens sind sein Kalk- und Säuregehalt, seine mineralogische Zusammensetzung, die Korngrößenverteilung (Bodenart) und sein Steingehalt. Insbesondere die Bodenart und das Bodengefüge haben entscheidenden Einfluss auf den Wasser- und Lufthaushalt und daher auf die Menge an pflanzenverfügbarem Wasser (= nutzbare Feldkapazität). Der Boden hat somit nicht nur Einfluss auf die Quantität und die Qualität des Ertrags, sondern er prägt wesentlich die Geschmacksrichtung des Weines und verleiht ihm, entgegen allen Zweiflern und Kritikern am Terroir, nachweisbar eine individuelle und sehr außergewöhnliche persönliche Note. Aber testen Sie doch das einmal selbst, sofern Sie Wein lieben!

Nach Sittler (1995) besteht folgender Zusammenhang zwischen Boden und Geschmacksempfinden (Sensorik):
Tonreiche Böden = Körper
Kalkreiche Böden = Weichheit
Sandreiche Böden = Säure, Lebendigkeit

Das Prinzip des Terroirs an sich sowie als Vermarktungsfaktor funktioniert aber nur, wenn in Weinbergsböden keine standortfremden Materialien zur „vermeintlichen“ Bodenverbesserung eingebracht werden.

Literatur:

Sittler, C. (1995): „Wein auf Stein“ oder „Vom Stein zum Wein“ – Beziehungen von Rebsorte zu Gesteinslage und Wein-Eigenart im Gebiet Barr-Andlau (Elsaß, Frankreich).- Jber. Mitt. Oberrhein. Geol. Ver: 223-240.
Stahr, A., & Bender, B. (2007): Der Taunus. Eine Zeitreise. Entstehung und Entwicklung eines Mittelgebirges.- 253 Abb., 253 S.; Stuttgart (Schweizerbart).