Von Alexander Stahr, Taunusstein

Schiefer bei Lorch am Rhein
Die Gesteine des Taunus haben ein Alter von mehr als 400 Millionen Jahren. Trotzdem weiß die Wissenschaft heute vieles über die Vergangenheit der Gesteine und der Landschaft dieses Mittelgebirges. ©Alexander Stahr

Die Rekonstruktion historischer Ereignisse und die Biographien berühmter Persönlichkeiten gestalten sich mitunter als recht schwierig. Je weiter Recherchen zu historischen Ereignissen oder zu historischen Persönlichkeiten in die Vergangenheit reichen, desto schwieriger wird das Vorhaben. Historiker, Archäologen, Anthropologen und viele andere Forscher suchen nach Antworten in der Geschichte des anatomisch modernen Menschen (Homo sapiens). Der anatomisch moderne Mensch existiert nach bisherigen Erkenntnissen der Paläoanthropologie seit etwa 150.000 Jahren. Bei Funden unserer bislang ältesten Vorfahren, darunter Australopithecus anamensis, der 1994 in der Nähe des nordkenianischen Turkanasees entdeckt und auf ein Alter von etwa 4,2 bis 3,8 Millionen Jahre vor heute datiert wurde, gestaltet sich die Erforschung unserer Vergangenheit bereits um Einiges schwieriger.

v. Sandberger
Prof. Dr. Carl Ludwig Fridolin v. Sandberger (1826-1898). ©Nassauischer Verein für Naturkunde

Die Gesteine des Taunus haben ein Alter von mehr als 400 Millionen Jahren. Trotzdem weiß die Wissenschaft heute vieles über die erdgeschichtliche Vergangenheit der Gesteine und der Landschaft dieses Mittelgebirges. Forscher begannen, die „Sprache der Gesteine“ zu verstehen und in der Landschaft zu lesen. Heutige Untersuchungsmethoden bringen immer wieder neue Details dieser Sprache ans Licht. Daher ist es das Verdienst von Generationen von Geowissenschaftlern, das wir heute das Alter der Gesteine des Taunus und ihre Entstehung kennen, aber auch, dass wir auch die Geschichte der Landschaft dieses Mittelgebirges bis zum heutigen Tag besser verstehen.

Ein Pionier der Taunusforschung ist Prof. Dr. Carl Ludwig Fridolin v. Sandberger (1826-1898). Im Jahr 1847 beginnt er gemeinsam mit seinem Bruder Dr. Guido Sandberger (1821-1879) sein Hauptwerk „Versteinerungen des Rheinischen Schichtensystems in Nassau“. Ein weiteres gemeinsames Werk ist die „Übersicht über die naturhistorische Beschaffenheit des Herzogthums Nassau“ aus dem Jahr 1857. Carl Ludwig Fridolin v. Sandberger bekommt zahlreiche Ehrungen und wird für seine Verdienste um die mineralogische und paläontologische Erforschung des Herzogtums Nassau geadelt. Von 1849-1855 war v. Sandberger Vorsitzender des Nassauischen Vereins für Naturkunde, der Teile seiner paläontologischen Sammlung gekauft hat. Sie befinden sich heute in der naturwissenschaftlichen Sammlung des Museums Wiesbaden.

Koch
Dr. Carl Jacob Wilhelm Koch (1827-1882) ©Nassauischer Verein für Naturkunde

Auf Dr. Carl Jacob Wilhelm Koch (1827-1882) gehen die ersten geologischen Kartierungen des Taunus im Maßstab 1:25 000 zurück. Koch weist u. a. nach „das an der Grenzscheide zwischen Phylliten und Quarziten fast alle Bäche des Taunus entspringen, und zwar deshalb, weil die spaltenreichen Quarzite das Wasser auf bedeutende Tiefen herablassen, so das sich keine Quellen bilden, während die wenig durchlässigen Phyllite das Wasser zurückhalten, wobei der Überlauf über die höchsten Erhebungen der Phyllitschichten den Ursprung der Bäche bildet.“ Diese Erkenntnis war die Grundlage zum Bau der Wiesbadener Trinkwasserstollen. Koch war Direktor des Museums Wiesbaden. Von 1880-1882 war er Sekretär (Vorsitzender) des Nassauischen Vereins für Naturkunde in Wiesbaden. An sein Verdienst um die Stadt Wiesbaden und ihre Trinkwassergewinnung erinnert heute das „Koch-Denkmal“ im Nerotal aus dem Jahr 1883. Das Denkmal, gestaltet durch den Bildhauer Hermann Schies, wurde am 4. November 1883 am Fuß des Speierskopfs im hinteren Nerotal, dem Lieblingsplatz Kochs, enthüllt. Auf der Vorderseite befindet sich das Portrait Kochs. Der Sockelblock trägt die Inschrift: „Dem Andenken des Landesgeologen Dr. Carl Koch. Gewidmet von seinen Freunden, Mitarbeitern und Schülern 1883.“

Leppla
Prof. Dr. August Leppla (1859-1924) ©Nassauischer Verein für Naturkunde

Auf Professor Dr. August Leppla (1859-1924) geht die geologische Kartierung einiger Gebiete des südlichen Taunus zurück, darunter das Blatt 5816 Königstein im Taunus. Leppla studierte ab 1878 Naturwissenschaften an den Technischen Hochschulen in Aachen und München. Nach seinem Wechsel nach Straßburg wendet er sich ausschließlich der Geologie und dem Bergbau zu. 1882 promoviert er in Freiburg im Breisgau mit dem Thema „Der Remigiusberg bei Cusel“. 1888 wird er Mitarbeiter der preußischen Geologischen Landesanstalt in Berlin. Im Jahr 1900 wird Leppla Landesgeologe und Professor. 1910 wird Leppla als Landesgeologe nach Wiesbaden versetzt. Von 1901 an gehörte er dem Nassauischen Verein für Naturkunde an und wurde 1920 Vorsitzender des Vereins.

1946 wird Prof. Dr. Franz Michels (1891-1970) der erste Direktor des Landesamtes für Bodenforschung in Wiesbaden. Sieben geologische Karten mit Erläuterungen des Nassauischen Landes mit Randgebieten und somit auch des Taunus schließt er ab. Sechs weitere sind zum Zeitpunkt seines Todes noch nicht veröffentlicht. Dem Nassauischen Verein für Naturkunde tritt er 1928 bei. 1954 ernennt ihn der Verein zum Ehrenmitglied. 1960 wird er zum 1. Vorsitzenden des Vereins.

Prof. Dr. Friedrich Kutscher (1907-1988) sind besondere Verdienste um die Erforschung des Hunsrückschiefers, einem im Hintertaunus weit verbreiteten Gestein, zuzuschreiben. 1931 promoviert er mit dem Thema „Zur Entstehung des Hunsrückschiefers am Mittelrhein und auf dem Hunsrück“. Ab 1934 arbeitet Kutscher an der Preußischen Geologischen Landesanstalt. Nach seiner Rückkehr aus Russland wird er im Jahr 1950 Bezirksgeologe beim Hessischen Landesamt für Bodenforschung (HLfB). Er beendigt dort seine Arbeit 1972 als stellvertretender Amtsleiter. 1977 ernennt ihn der Nassauische Verein für Naturkunde für seine Verdienste um die Erforschung des Hunsrückschiefers zum korrespondierenden Mitglied. In 18 Veröffentlichungen in den Jahrbüchern des Landesamtes und 15 Beiträgen in den Mitteilungen des Vereins hat er sich mit der Geologie des Taunus beschäftigt.

Witigo Stengel-Rutkowski (1935- 2012) befasste sich mit der jungen Tektonik im Taunus und im östlichen Rheinischen Schiefergebirge und insbesondere mit ihrer hydrogeologischen Bedeutung. Er war Fachmann für Mineral- und Thermalwässer, aber auch für die Versorgung der Städte und Gemeinden im Taunus mit Grundwasser. Seine Diplomarbeit und spätere Dissertation fertigte er über die Geologie der Umgebung von Lech (Vorarlberg) an. Witigo Stengel-Rutkowski war 38 Jahre am Hessischen Landesamt für Bodenforschung (HLfB) in Wiesbaden tätig, zuletzt als Geologiedirektor und verantwortlich für Grundwasserfragen und die Wasserversorgung in weiten Teilen Hessens. Auslandstätigkeiten führten ihn nach Zaire, in alle Sahelländer Afrikas und nach Marokko. Seinen 70 Fachpublikationen, darunter Titel wie „Die Säuerlinge des Westtaunus – Nachzügler eines neogenen Vulkanismus oder Vorboten künftiger tektonischer Aktivität?“, schließen sich zahlreiche allgemeinverständlich gehaltene Veröffentlichungen für Ortschroniken und Festschriften an. Seit 1967 war er Mitglied im Nassauischen Verein für Naturkunde und der 2. Vorsitzende. Im Jahr 2004 erhielt er die Verdienstmedaille des Vereins.

Toussaint
Prof. Dr. Benedikt Toussaint. (c)Privat

Ebenfalls Kenner der Tektonik, Geologie und der hydrogeologischen Verhältnisse im Taunus sowie leidenschaftlicher Verfechter des Grund- und Trinkwasserschutzes im Taunus ist der Hydrogeologe Prof. Dr. Benedikt Toussaint. Er war leitender Geologiedirektor (Dezernat Grundwasser und Hydrologie) bei der Hessischen Landesanstalt für Umwelt bzw. dem späteren Hessischen Landesamt für Umwelt und Geologie (HLUG) in Wiesbaden (heute Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie HLNUG) sowie Professor an der RWTH in Aachen.

Mit der Erforschung der Entwicklung der Taunuslandschaft im Tertiär (heute Paläogen und Neogen) und im Eiszeitalter, ihrer Sedimente, Landschaftsformen und Böden ist der Name von Prof. Dr. Dr. h. c. Arno Semmel (1929-2010) eng verbunden. Arno Semmel studierte von 1953 bis 1959 Geographie, Geologie und Chemie in Rostock, Berlin und Frankfurt am Main. 1967 habilitierte er sich für das Fach Geographie an der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. Semmel war unter anderem Regierungsgeologe des Staatlichen Geologischen Dienstes in Hessen (SGD) am Hessischen Landesamt für Bodenforschung in Wiesbaden (heute Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie, kurz HLNUG), Wissenschaftlicher Rat und Professor am Geographischen Institut der Universität Würzburg und zuletzt Professor am Institut für Physische Geographie der Universität Frankfurt am Main. 1991 erfolgte auf eigenen Wunsch die Versetzung in den Ruhestand. Danach hatte er bis 1999 einen Lehrauftrag für Quartärgeologie am Institut für Geowissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Die naturwissenschaftlich-mathematische Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg verlieh Arno Semmel anlässlich ihres 600jährigen Bestehens im Jahr 1986 die Ehrendoktorwürde (Dr. rer. nat. h. c.) „für seine grundlegenden und wegweisenden Beiträge zu einer ökologisch orientierten und anwendungsbezogenen Geomorphologie“.

Semmel
Prof. Dr. Dr. h. c. Arno Semmel (1929-2010). ©Alexander Stahr

Semmel machte sich speziell auch um die Erforschung, Gliederung und Datierung der eiszeitlichen Deckschichten im mitteleuropäischen Raum und somit auch des Taunus verdient. Ebenfalls zu erwähnen ist die auf ihn zurückzuführende Gliederung und zeitliche Einordnung von Flussterrassen und ihren Sedimenten. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Quartärgeologie, die Bodengeographie und die angewandte konventionelle Geomorphologie. Zahlreiche Datierungen im Würm-Löss, seine Stratigraphie sowie quartärstratigraphische Begriffe gehen auf Arno Semmel zurück. Semmel führte weltweit Forschungsprojekte durch, doch dem Taunus blieb er stets treu. „Junge Schuttdecken in hessischen Mittelgebirgen“, „Tertiäre Formenelemente in der Idsteiner Senke und im Eppsteiner Horst“, „Taunus: Die Erdkruste ist noch aktiv“, „Untersuchungen zur quartären Tektonik am Taunus-Südrand“, „Die Formenentwicklung im Bereich des Limburger Beckens und des westlichen Hintertaunus im Tertiär und Quartär“ oder „Bodenhorizonte und Lagen im Taunus und dessen südlichem Vorland“ sind nur eine kleine Auswahl von zahlreichen Publikationen Arno Semmels über den Taunus.

Anderle
Hans-Jürgen Anderle (1939-2012). ©Alexander Stahr

Hans-Jürgen Anderle (1939-2012) war sicherlich einer „der“ Männer, wenn es um die Geologie des Taunus und seinem tektonischen Bau geht. An der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main nahm er das Studium der Geologie auf. Dabei interessierten ihn auch Astronomie, Philosophie und Soziologie. 1966 fertigte er seine Diplomarbeit über das Unterdevon im Loreleygebiet an. Von 1967 bis 1972 arbeitete Anderle im Forschungsprogramm Oberer Erdmantel mit Untersuchungen zum Nordende des Oberrhein-Grabens mit. Von 1972 bis 2004 war er Mitarbeiter des Hessischen Landesamtes für Bodenforschung (HLfB), das heutige Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) in Wiesbaden.

„Neufassung der Spitznack-Schichten des Loreley-Gebietes“, „Postvaristische Bruchtektonik und Mineralisation im Taunus“, „Entwicklung und Stand der Unterdevon-Stratigraphie im südlichen Taunus“ oder „Gezeitensedimente in der Hermeskeil-Formation“ sind einige Titel aus der Vielzahl seiner wissenschaftlichen Aufsätze. Hans-Jürgen Anderle war Mitarbeiter in den Subkommissionen zur Stratigraphie von Devon und Jungproterozoikum-Silur. Seit 1996 war Anderle 1. Vorsitzender des Nassauischen Vereins für Naturkunde in Wiesbaden.

Ein weiterer Taunusforscher ist Prof. Dr. Erhard Bibus. Er wurde am 18. April 1943 in Teplitz-Schönau im Sudetenland geboren. Nach seinem Studium der Geographie, Geologie, Bodenkunde und Germanistik an der Johann Wolfgang-Goethe Universität in Frankfurt am Main promovierte er dort mit einer Arbeit über die Geomorphologie des südöstlichen Taunus. Erhard Bibus habilitierte sich für das Fach Geographie an der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main mit einer „Untersuchung zur Relief-, Boden- und Sedimententwicklung am unteren Mittelrhein“. „Untersuchungen zur jungtertiären Flächenbildung, Verwitterung und Klimaentwicklung im südöstlichen Taunus und in der Wetterau“, „Tertiäre Formenelemente in der Idsteiner Senke und im Eppsteiner Horst“ (mit Arno Semmel und Wolfgang Andres) sowie „Reliefentwicklung im Rheinischen Schiefergebirge – neue Befunde, neue Probleme“, heißen einige der Arbeiten von Erhard Bibus zum Taunus.

Sabel
Prof. Dr. Karl-Josef Sabel. ©Alexander Stahr

Hans-Georg Mittmeyer (1930 in Darmstadt geboren) studierte in Hamburg Geologie. Seine Diplomarbeit und seine Doktorarbeit fertigte er über den Hunsrückschiefer im Taunus, insbesondere im Aartal an. Er führte geologische Kartierungen für das Blatt Nastätten im Taunus sowie eine großflächige Kartierung im südwestlichen Taunus durch. Seit Mitte der siebziger Jahre ist er Mitglied in der stratigraphischen Kommission (Subkommission Devon). Einige seiner Veröffentlichungen lauten: „Die Hunsrückschiefer des südlichen Aartales“, „Zur Neufassung der Rheinischen Unterdevon-Stufen“, „Die Hunsrückschiefer-Fauna des Wisper-Gebietes im Taunus“ oder „Zur Geologie des Hunsrückschiefers“.

Prof. Dr. Karl-Josef Sabel (geboren 1950 in Großholbach im Westerwald) ist als Bodenkundler dem Taunus eng verbunden, was sich auch in seinen zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen über die Böden und die Landschaft des Taunus widerspiegelt. Er leitete am Hessischen Landesamt für Umwelt und Geologie als Geologiedirektor das Dezernat „Bodenkundliche Landesaufnahme“, womit der größte Teil des Taunus bodenkundlich natürlich unter seine Regie fiel. Seit mehr als 25 Jahren führt Karl-Josef Sabel naturkundlich interessierte Menschen ehrenamtlich durch den Taunus und sein Vorland. Zu seinen begeisterten „Kunden“ zählen neben dem Taunusklub zahlreiche Vereine, Verbände und Bildungseinrichtungen im Rhein-Main-Gebiet. Im Anschluss an seine Tätigkeit als Hochschulassistent am Fachbereich Geowissenschaften der Universität Frankfurt am Main und mehreren Forschungsreisen nach Brasilien wurde er Mitarbeiter des Hessischen Landesamtes für Umwelt und Geologie in Wiesbaden (heute Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie HLNUG). Ab 1997 war er Honorarprofessor für Bodenkunde an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz.