Dr. Roland Schneider
Dr. Roland Schneider. ©Privat

Dr. Roland Schneider ist der 1. Vorsitzende des gemeinnützigen Vereins „Naturerbe Taunus e. V.“ mit Sitz in Schlangenbad-Bärstadt. Der im Juni 2010 gegründete Verein möchte die Landschaft im Taunus bewahren und für künftige Generationen erhalten. Die Einwohner und Besucher des Taunus sollen durch den Verein und seine zahlreichen Aktivitäten über die Besonderheiten und Schönheiten dieses Mittelgebirges umfassend informiert werden. Warum der Verein gegründet wurde und wie der Verein den Menschen die Besonderheiten und Schönheiten des Taunus näher bringt, fragte Taunuswelten den 1. Vorsitzenden des Vereins.

Was hat die Gründungsmitglieder von „Naturerbe Taunus“ dazu bewogen, den Verein ins Leben zu rufen?

Dr. Roland Schneider: Es gibt viele Landschaften in Deutschland, deren Schönheit oft im Verborgenen bleibt und erst Besuchern, also Personen, die aus anderen Gegenden kommen, bewusst wird. Das trifft auch und insbesondere auf den Taunus zu. Wenn ich Kollegen, die nicht im Taunus leben, Bilder von hier zeige, werde ich oft gefragt, wo ich im Urlaub war. Uns war es deshalb von Anfang an ein besonderes Anliegen, die Besonderheiten und Schönheiten der Taunuslandschaft aufzuzeigen, denn nur das, was man kennt, kann man schätzen. Der bekannte Naturforscher Sir David Attenborough sagte dazu: Niemand wird das schützen, was sie nicht beschäftigt; und niemand wird sich mit dem beschäftigen, was sie nicht erfahren haben. Im Original “No one will protect what they don’t care about; and no one will care about what they have never experienced”

Auf welche Art und Weise informiert der Verein Einheimische und Besucher über die Besonderheiten und Schönheiten des Taunus?

Dr. Roland Schneider: Neben den üblichen Vereinsaktivitäten wie Jahreshauptversammlung usw. haben wir pro Jahr eine bis zwei thematisch gegliederte Vorträge und/oder Exkursionen. Die Themengebiete variieren von Geologie über heimische Tier- und Pflanzenarten bis hin zu praktischen Themen wie z.B. Naturgärten. Oft sind die Veranstaltungen gekoppelt mit historischen Erläuterungen, z.B. zum Wandel der Landschaft oder der kulturellen Nutzung über die Jahrhunderte. Exkursionen bilden einen weiteren Schwerpunkt unter dem Motto „Gehen und Verstehen“. Für unsere Veranstaltungen haben wir stets erfahrene Referenten, die sich mit dem Taunus sehr gut auskennen, oft aus beruflicher oder auch wissenschaftlicher Perspektive. Darüber hinaus haben wir natürlich eine sehr umfangreiche Internetseite und versenden regelmäßig Newsletter.

„Naturerbe Taunus“ ist seit 2010 ein gemeinnütziger Verein nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Körperschaftsteuergesetz (KStG). Im April 2014 kam es zu einer Neuerung. Der Verein wurde zu einer anerkannten Umwelt – und Naturschutzvereinigung nach § 3 Abs. 1 und 3 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG). Was waren die Gründe?

Dr. Roland Schneider: Um die Taunuslandschaft wirksam zu schützen, muss ein Verein auch in entsprechende Genehmigungsverfahren eingebunden werden, die möglicherweise massive Veränderungen an der Landschaft vornehmen wollen. Das betrifft insbesondere die vielfältigen Bauvorhaben wie z.B. Gewerbe- und Industriegebiete. Bei allen größeren Bauvorhaben werden u.a. die Vereine angehört, die eine anerkannte Umwelt- und Naturschutzvereinigung sind. Zudem kann eine solche Vereinigung auch gegebenenfalls rechtlichen Einspruch einlegen.

Der Verein „Naturerbe Taunus e.V.“ möchte die Landschaft des Taunus bewahren und für künftige Generationen erhalten. Worin sehen Sie die größten Gefahren für den Taunus?

Dr. Roland Schneider: Die größte Gefahr besteht darin, dass man die Besonderheiten und Schönheiten dieses Mittelgebirges in unmittelbarer Nähe der Industrieregion Rhein-Main schlichtweg übersieht und als nicht schützenswert betrachtet. Das passiert schnell, denn man gewöhnt sich nicht nur an den Anblick von verbauten und versiegelten Industrielandschaften, sondern auch an unverbaute und historisch entstandene intakte Kulturlandschaften. Dieser Gewöhnungseffekt führt dann dazu, dass man auch größeren Bauvorhaben, die maßgeblich das Erscheinungsbild der Landschaft verändern, relativ unkritisch gegenübersteht. Dies ist historisch betrachtet ein fortlaufender Prozess und natürlich hat sich die Landschaft auch in den vorherigen Jahrhunderten verändert. Im Vergleich zu den heute möglichen Großbauprojekten (z.B. Windkraftanlagen) waren dies allerdings sehr behutsame Veränderungen. Wenn die Taunuslandschaft nicht entsprechend geschützt wird, wird sie in nie gesehener Weise so verändert, dass sie ihr über Jahrhunderte entwickeltes Erscheinungsbild in kürzester Zeit so verändert, dass sie Ihre Qualitätsmerkmale verliert. Die Großbebauungen setzen sich i.d.R. fort und letztlich werden diese Natur- und Kulturlandschaften in das industriell geprägte Rhein-Main Gebiet integriert. Wenn man Natur und Landschaft in ihrer heutigen Form nicht mehr erfahren kann, führt dies zu einer weiter zunehmenden Distanzierung von Natur und Landschaft. In vielen Metropolregionen der Welt hat dieser Prozeß schon viel früher begonnen und wurde nicht kritisch begleitet. Das Ergebnis ist vielfach erschreckend. Dies gilt es für den Taunus zu verhindern!

Die Landschaft des Taunus bewahren und für künftige Generationen erhalten bedeutet vermutlich nicht ausschließlich das „Jetzt“ zu konservieren. Vergangenes in der Natur wieder zu beleben könnte doch auch im Interesse des Vereins sein. Stichworte: Luchs und Wolf. Daher die Frage, wie der Verein zur kontrovers diskutierten Einwanderung von Luchs und Wolf in den Taunus steht? Der Luchs wurde offenbar bereits gesehen. Ist eine „Wildnis“ in der dicht besiedelten Kulturlandschaft Taunus, die von Straßen, Forst- und Wanderwegen „zerschnitten“ ist, denkbar?

Dr. Roland Schneider: Der Taunus ist sicherlich keine Wildnis und der Taunuswald ist kein Urwald. Darum geht es auch nicht, denn wo in Deutschland findet man noch wirkliche Wildnis? Ich plädiere dafür, hier nicht in Schwarz und Weiß zu denken, denn es gibt unzählige Übergangsstufen zwischen Wildnis und Industrieregion. Und auch wenn es Straßen im Taunus gibt, so ist diese Landschaft in vielen Teilen in ihrem Erscheinungsbild so, wie man sich Natur und Landschaft wünscht, nämlich sehr abwechslungsreich mit Hügeln und Feldern, einem sehr hohen Anteil an gemischten Wäldern und vielfältig wachsenden Pflanzen. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass je weniger sich der Mensch, in die ungenutzten Teile einer Landschaft einmischt, umso besser. Wenn es um Raubtiere wie Luchs und v.a. Wolf geht, ist dies allerdings ein besonderes kulturhistorisches und auch emotionales Thema. Hier werden auf höherer Ebene Entscheidungen getroffen, die dann nicht nur für den Taunus gültig sind, sondern auch für andere Regionen in Deutschland. Daher ist es wichtig, einen überregionalen Konsens zu finden.

Im Taunus gibt es zahlreiche Wanderwege mit Informationstafeln zur Natur, Historie oder Kulturlandschaft, die Wanderern ihre Umwelt verständlicher machen sollen. Ist das häufig „zu schwere Kost“? Wie steht der Verein dazu?

Dr. Roland Schneider: Informationstafeln sind sehr wichtig und auch wir haben uns als Verein dabei engagiert. Wichtig erscheint uns eine geeignete Vernetzung mit modernen Medien bzw. Informationen im Internet wie z.B. interaktiven Karten. In der Tat hat sich das Leseverhalten und Informationsbedürfnis verändert und dem muss man Rechnung tragen in Form von prägnanten Informationen in Kombination mit Grafiken und Fotos. Während man früher die sachliche Information in den Vordergrund stellte, muss heute der Erlebnischarakter und der individuelle Nutzen herausgestellt werden, z.B. was kann ich auf dieser Wanderung erleben, wie kann ich die Wanderung spielerisch mit Internetangeboten verbinden usw. Auch wenn diese modernen Angebote dann letztlich nur von einer kleinen Zahl genutzt werden, so machen sie die Wanderung als solche attraktiv. In anderen Regionen z.B. in den Alpen beobachtet man einen eine starke Zunahme junger Wanderer, was sicherlich auch mit sportlichen Ambitionen zusammen hängt. Ähnliches würde ich mir auch für den Taunus wünschen.

Was wünschen Sie sich von der Politik hinsichtlich der Zukunft der Kulturlandschaft Taunus?

Dr. Roland Schneider: Die größte Ignoranz gegenüber den Werten unserer Kulturlandschaften beobachte ich leider in der Politik. Möglicherweise wird hier der alte Konflikt zwischen der gewünschten (wirtschaftlichen) Fortentwicklung eines Kreises oder einer Stadt / Gemeinde und der Bewahrung einer Landschaft besonders deutlich. Besonders auffällig wird diese Diskrepanz auch bei ökologischen Themen – soll der Wald aus natur- und landschaftsschützenden Gründen erhalten bleiben oder aus Klimaschutzgründen für Windkraftanlagen gerodet werden? Diese Abwägung findet bei vielen Politikern nicht wirklich statt – der Klimaschutz dominiert als Argument in vielen Parlamenten und Planungsbehörden. Insbesondere eine überregionale Abwägung im Sinne von, was sind erhaltenswerte Landschaften, findet nicht statt. Im Hinblick auf den Schutz besonderer Landschaften würde ich mir deutlich mehr Weitblick und überregionale/bundesweite oder sogar europaweite Koordination der politisch Verantwortlichen wünschen.

Der Rheingau-Taunus-Kreis, aber auch die anderen Landkreise im Taunus zielen stets auf die Förderung des Tourismus im Taunus ab. Im Mittelpunkt stehen dabei in der Regel die Gastronomie und weithin bekannte Sehenswürdigkeiten wie beispielsweise die Loreley, der Große Feldberg oder das Kloster Eberbach. Vom Besuch der Stadt Rüdesheim ganz zu schweigen. Sehen Sie da „fruchtbare“ Alternativen?

Dr. Roland Schneider: Unbedingt! Es sind gerade die weniger bekannten Gegenden im Taunus, die einen besonderen Reiz haben, seien es die einsamen Pfade im Hinterlandswald, das tief eingeschnittene Aartal, die sanften Hügel im Bereich Taunusstein und Hohenstein oder der Taunuskamm an der Grenze zum Rheingau bei Schlangenbad. Und es gibt noch viele weitere! Jede Region im Taunus hat seine Besonderheiten und man braucht eigentlich nur gutes Schuhwerk und offene Augen, um dies zu erkennen. Unser Verein hilft dabei mit unserer Exkursionsreihe „Gehen und Verstehen“.

Zum Schluss: Ihr Lieblingsort im Taunus?

Dr. Roland Schneider: Da ich im Taunus aufgewachsen bin, habe ich bereits als Jugendlicher den Taunus mit Fahrrad, Moped und Fotoapparat erkundet. Insofern habe ich einen ganz guten Überblick. Aus beruflichen Gründen habe ich dann aber fast 25 Jahre nicht im Taunus gelebt – und diese Landschaft schmerzlich vermisst! Vor 10 Jahren habe ich mich dann wieder im Taunus angesiedelt und mir ein besonders schönes Fleckchen ausgesucht: Schlangenbad – Bärstadt. Dies ist sicherlich nicht der einzig schöne Ort im Taunus, denn es gibt davon sehr viele. Schauen Sie sich einfach um!

Taunuswelten dankt Dr. Roland Schneider für die informativen Antworten und wünscht ihm und dem Verein „Naturerbe Taunus“ weiterhin viel Erfolg bei der Arbeit.