Mauerblümchen macht sich auch im Taunus breit – Ausbreitung des invasiven Weidenröschens untersucht
Senckenberg-Wissenschaftler haben die Verbreitung der invasiven Pflanze „Kurzfrüchtiges Weidenröschen“ in Deutschland untersucht. Der Neophyt stammt ursprünglich aus den Hochgebirgen Nordamerikas und breitet sich seit etwa 15 Jahren massiv im Rhein-Main-Gebiet aus. Genetische Untersuchungen zeigen, dass die Pflanzen in mehreren Schritten nach Deutschland gelangten – vermutlich als „blinde Passagiere“ in Militär- und Landwirtschaftsfahrzeugen. Die Studie ist im Fachjournal „Biological Invasions“ erschienen.
Schmale Stängel, winzige Blätter und zarte Blüten: Das Kurzfrüchtige Weidenröschen (Epilobium brachycarpum) ist ein eher unauffälliger Vertreter der Pflanzenwelt und wird – trotz seiner Größe von bis zu einem Meter Höhe – leicht übersehen. „Es gibt das Weidenröschen aber häufiger, als man denkt – auch hier im Rhein-Main-Gebiet“, erklärt Kai Uwe Nierbauer aus der Abteilung Botanik und molekulare Evolutionsforschung am Senckenberg Forschungsinstitut in Frankfurt und fährt fort: „Wir haben die Verbreitung dieser invasiven Pflanze in Deutschland nun in einer großangelegten Studie untersucht.“
Das unscheinbare Nachtkerzengewächs ist ursprünglich an der nordamerikanischen Westküste beheimatet. Vor 35 Jahren wurde es erstmalig in Europa, in der Nähe von Madrid, entdeckt. In Deutschland wurde die filigrane Pflanze vor 20 Jahren in Rheinland-Pfalz gefunden; im Rhein-Main-Gebiet breitet sie sich seit etwa 15 Jahren aus. „Wir denken, dass die Samen des Weidenröschens als blinde Passagiere aus Nordamerika zu uns kamen“, erläutert Nierbauer. Häufig finden sich die Pflanzen auf brachliegenden Flächen, wie beispielsweise auf dem „Alten Flugplatz“ in Frankfurt-Bonames. Hier wird vermutet, dass die Samen über die Schuhsohlen nordamerikanischer Soldaten auf das ehemalige Militärgelände gelangten. „Im Frankfurter Raum findet sich der Neophyt meistens auf Bahnhöfen zwischen Gleisschotter. Es ist aber auch in Kiesgruben, Steinbrüchen, Erddeponien und auf geschotterten Parkplätzen zu finden“, ergänzt der Frankfurter Botaniker.
In Deutschland findet man die eingewanderte Pflanze in der Oberrheinebene von Frankfurt bis Rastatt, der Wetterau, dem Taunus und dem Pfälzer Wald. Vor 10 Jahren wurde zudem ein Vorkommen in Bayern, zwischen Bamberg und Nürnberg entdeckt. „Eine einzelne Population gibt es auch in Treis-Karden an der Mosel. Hier weisen aber alle Pflanzen schwere Frostschäden auf – wir gehen davon aus, dass sich dieses Vorkommen nicht in Deutschland halten wird“, fügt Nierbauer hinzu.
Dass die Pflanzenpopulationen so unterschiedlich auf die deutschen Klimaverhältnisse reagieren, konnten die Frankfurter Botaniker anhand genetischer Untersuchungen erklären: Sie verglichen die Pflanzen-DNA von 23 Orten in Deutschland und Nord-Frankreich mit Vergleichsmaterial aus den USA und kamen zu dem Schluss, dass die frostanfällige Weidenröschen-Population an der Mosel ihren Ursprung in der „Tieflandsippe“ hatte, also Pflanzen, die sich in nur wenigen Höhenmetern ansiedeln. „Alle anderen Vorkommen stammen dagegen aus Höhen von über 1500 Metern – diese Pflanzen sind genetisch demnach schon an größere Kälten angepasst“, begründet Nierbauer.
Auch über die Besiedlungsphasen konnten die genetischen Untersuchungen Auskunft geben: Die deutschen Populationen unterscheiden sich zwar genetisch voneinander stark, innerhalb eines Vorkommens gibt es aber wenig genetische Vielfalt – „ein deutliches Zeichen für mehrere, zeitlich getrennte Verbreitungswellen“, vervollständigt Nierbauer. Das Kurzfrüchtige Weidenröschen verdrängt zwar keine anderen Pflanzen, aber es schließt Flächen, die ansonsten frei bleiben würden. In der Grube Messel wird dabei beispielsweise das Beuterevier des Flussregenpfeifers eingeschränkt. Dieser kleine Vogel benötigt freie Flächen um seine Nahrung zu finden. Natürliche Feinde hat die Pflanze bisher keine – gefressen werden die Blätter und Stängel nur von Kaninchen; die Samen der Pflanzen werden dabei aber nicht nachhaltig geschädigt. Nierbauer resümiert: „Wir gehen daher davon aus, dass sich das Kurzfrüchtige Weideröschen auch weiterhin in Deutschland ausbreiten wird. Die Auswirkungen müssen wir beobachten.“
Quelle: IDW-online
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