Streuobstwiese
Der Pyrus „Mollebusch“ ist auf der Streuobstwiese in Holzhausen ü. A. von Naturschutz-Dezernentin Dr. Heidrun Orth-Krollmann gepflanzt. Orna Behrendt vom Fachdienst Umwelt sorgt für das nötige Wasser. ©Rheingau-Taunus-Kreis

Einen Birnbaum hat Naturschutz-Dezernentin Dr. Heidrun Orth-Krollmann anlässlich des Jubiläums „25 Jahre geschützter Landschaftsbestandteil“ (GLB) auf dem kreiseigenen Areal in Holzhausen gepflanzt. Der „Mollebusch“ ist der erste Birnbaum auf der dortigen Streuobstwiese, die als Ausgleichsfläche für den Bau des Kreishauses vor einem Vierteljahrhundert angelegt wurde. „An der gleichen Stelle stand zuvor ein Apfelbaum.

Da wegen des Nachbauproblems nicht zwei Mal die gleiche Sorte Baum an einem Standort gepflanzt werden muss, fiel diesmal die Entscheidung zugunsten des Mollebuschs“, erläuterte die Naturschutz-Dezernentin, die gemeinsam mit Orna Behrendt vom Fachdienst Umwelt den Baum fachgerecht einsetzte, um die „Überlebenschancen“ des Baumes deutlich zu erhöhen.

So soll die Pfropfstelle etwa zehn Zentimeter über der Erde sein, der Baumpfahl darf nicht höher stehen als der unterste Leitast der Krone, ein Verbissschutz ist ebenfalls notwendig und das Angießen darf nicht vergessen werden, so der Tipp der Expertin vom Fachdienst. Auch darf den Wühlmäusen keine Möglichkeit gegeben werden, den „jungen Baum anzuknabbern“. Eine Art Drahtkorb, der um den Wurzelballen gelegt wird, soll den Baum vor den ungebetenen Nagern schützen. Laut Dr. Heidrun Orth-Krollmann werden „die Früchte der alten Obstsorten immer beliebter, da sie häufig für Allergiker besser verträglich sind als modernes Plantagenobst“.

Laut der Naturschutz-Dezernentin sind in Hessen Streuobstwiesen im Kulturlandschaftsbild weit verbreitet und allseits beliebt. Sie dienen nicht nur als „Stöffche“- und Apfelmostlieferanten, sondern haben eine hohe Bedeutung für die Artenvielfalt und das Klima und sind deshalb aufgrund der Wertigkeit gesetzlich geschützt. Dieser Beliebtheit erfreuten sich die Streuobstwiesen jedoch nicht zu allen Zeiten. Die Anbaufläche in Deutschland sank in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nach Schätzungen des Naturschutzbund Deutschland um etwa 70 Prozent. Verantwortlich dafür war u.a. die von der EG bis 1974 gezahlten Rodungsprämien für die Beseitigung hochstämmiger Obstbäume (zur Förderung des Plantagenobstanbaus). Neben der Reduzierung der Anbaufläche setzt auch die mangelnde Pflege und Nutzung den Streuobstwiesen zu.

In Deutschland werden Streuobstbestände deshalb auf der Roten Liste der gefährdeten Biotoptypen als „stark gefährdet“ geführt, nach dem Hessischen Ausführungsgesetz zum Bundesnaturschutzgesetz §13 unterliegen sie dem gesetzlichen Biotopschutz.

Im Rheingau-Taunus-Kreis genießen einige Bestände zusätzlich einen ganz besonderen Status: Sie wurden von der Unteren Naturschutzbehörde als „geschützter Landschaftsbestandteil“ (GLB) unter Schutz gestellt. Dr. Orth-Krollmann „Ein GLB hat zum Ziel, die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts zu erhalten, zu entwickeln und wiederherzustellen. Das Landschafts- und Ortsbild soll hiervon profitieren, genauso wie die Tier-, Insekten- und Pflanzenarten, welche sich aufgrund einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung einstellen und uns bereichern.“

In der zugehörigen Verordnung des Kreises, nach welcher der GLB ausgewiesen wurden, ist festgehalten, dass die Beseitigung desselben, sowie Handlungen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung führen können, verboten sind. „Die Verordnung wurde 1993 verabschiedet, womit in diesem Jahr das 25-jährige Jubiläum des geschützten Landschaftsbestandteils „Streuobstbestände im Rheingau-Taunus-Kreis“ stattfindet“, betonte die Naturschutz-Dezernentin.

Freuen dürfen sich alle menschlichen, tierischen und pflanzlichen Bewohner und Nutzer der ausgewiesenen Bestände in Kettenbach, Breithardt, Holzhausen, Heftrich, Niederseelbach, Oberjosbach, Georgenborn, Seitzenhahn, Oberwalluf und Waldems-Esch.

Entwicklung des GLB von 1993-2005/2006

Die Nachkartierung in 2005/2006 zeigte eine Rückgang der hochstämmigen Obstbäume in den Gebieten trotz Nachpflanzungen. So sank der Anteil der hochstämmigen Obstbäume besonders dramatisch in Georgenborn (36%) und Niederseelbach (28%). In Georgenborn waren besonders Straßenbäume betroffen; die Einhaltung der Verkehrssicherungspflicht führte hier zur Fällung der Obstbäume. In Niederseelbach wurde die ICE-Trasse gebaut – auch wenn das GLB untertunnelt wurde, so war für den Bau eine offene Bauweise erforderlich, was zu starken Verlusten führte. Nach Abschluss der Baumaßnahmen wurden nach 2006 über 150 hochstämmige Obstbäume neu gepflanzt, so dass die Verluste der Vorjahre ausgeglichen wurden.

Ausblick

Inzwischen gibt es einige Initiativen im Kreis, die das Obst der hochstämmigen Obstbäume für den eigenen Verbrauch verwerten – vor allem als „Stöffsche“. Genannt seien hier beispielhaft der Streuobstkreis Mittlerer Taunus e.V., die Bembelboys Heftrich und der Obst- und Gartenbauverein Strinz-Margarethä.

Die Nutzung des Obstes führt zum Erhalt unserer heimischen Streuobstwiesen. Die Nachpflanzung und Pflege wird dadurch gewährleistet.

Begriff

Der Begriff „Streuobstwiese“ etablierte sich aufgrund der meist unregelmäßigen, über das Grundstück verstreuten Anordnung von (hochstämmigen) Obstbäumen wie Apfel-, Birnen-, Kirsch- oder Walnussbäumen. Gleichzeitig wird auf die Unternutzung der Fläche hingedeutet: Traditionell befindet sich unter den Bäumen Grünland, welches extensiv bewirtschaftet wird. Das bedeutet, dass das Gras zweimal im Jahr gemäht und das Heu anschließend abtransportiert wird.

Streuobstwiesen sind wahre Refugien für seltene Tier- und Pflanzenarten. Mehr als 5000 Arten finden in dieser nährstoffarmen Umgebung einen Lebensraum. Über den Zeitraum der Obstblüte hinaus locken die extensiv bewirtschafteten Wiesen durch ihren Blütenreichtum viele Insekten wie Schmetterlinge oder Wildbienen an. In den Astlöchern und Höhlen der Bäume fühlen sich beispielsweise Spechte, Steinkäuze, Wiedehopfe und Fledermäuse wohl, ebenso wie Garten- und Siebenschläfer. Und nicht umsonst bringen viele Menschen den Igel mit Streuobst in Verbindung – wobei es der Allesfresser eher auf die Schnecken, Würmer und Maden im Fallobst abgesehen hat, als auf das Obst selbst.

Quelle: Rheingau-Taunus-Kreis